Erscheint am 4. März bei Kiepenheuer&Witsch
Eine Geschichte, in der ein Zirkus vorkommt ist meiner Meinung nach schon von Haus aus vielversprechend. Spielt diese dann noch in Italien, hat sie mich als heimlicher Brunetti-Fan spätestens dann am Haken. Und ja, Der Zirkus von Girifalco hat mich nicht enttäuscht und ist mein persönliches Heilmittel gegen den aktuellen Lagerkoller.
"...zwei breite Straßen, zwei Kirchen, zwei Brunnen und zwei Märkte, so als bildete sich in diesem Fleckchen kalabrischer Erde das Gleichgewicht des gesamten Sonnensystems ab, die Stabilität der Sterne, die Regelmäßigkeit der planetaren Umlaufbahnen, das Überleben des Kosmos insgesamt.“ (S. 103)
Das ist das Dorf Girifalco. Domenico Dara beschreibt den Ort und seine Bewohner mit einer wunderbaren Leichtigkeit (hier kann ich mich dem Klappentext nur anschließen). So kennt man es offenbar von ihm schon aus seinem ersten Roman Der Postbote von Girifalco, den ich (noch) nicht gelesen habe. Mit frischen Bildern erzählt er unaufgeregt von den Ereignissen während der Festwoche zu Ehren des Dorfheiligen San Rocco, als anstatt des erwarteten Karussells ein Zirkus im Ort Station macht.
Die leise, feinfühlig beschriebene Handlung wird immer wieder aus der Perspektive verschiedener Dorfbewohner erzählt. Es sind daher recht viele Protagonisten und es ist anfangs schwierig – vor allem aufgrund der italienischen Namen – den Überblick zu bewahren, aber mit der Zeit und durch immer wiederkehrenden Eigenarten, gut möglich. Ein bisschen wie in einem Märchen, schildert Dara, wie schon die kleinste Änderung gewohnter Abläufe ein ganzes Leben verändern kann. Gleichzeitig stellt er die Frage nach Zufall, Schicksal oder Vorsehung und ob vielleicht nicht einfach alles – wie in unserem Sonnensystem – miteinander verknüpft ist. Dara ist es gelungen, vielfältige und doch besondere Charaktere zu schaffen, die alle auf ihre Art ihr Päckchen zu tragen haben und dabei nicht immer sympathisch daherkommen. Aber dennoch fühlt man mit jedem von ihnen mit und es ist leicht, sich vom Fluss der Handlung mitnehmen zu lassen.
Die liebevolle und atmosphärische Erzählung, die Schönheit seiner Sprache ließ mich leicht verzeihen, dass ich im letzten Drittel des Buches der zeitlichen Abfolge nicht ganz folgen konnte – was aber eigentlich auch keine Rolle für das Verständnis der Geschichte spielt, da sich am Schluss alles fügt – und das gegen Ende die philosophisch anmutenden Einschübe etwas langatmig wurden – was sich wiederum auf zwei Seufzer meinerseits beschränkte.
Das Ende lässt das aber alles vergessen und ganz ohne Kitsch, hat Der Zirkus von Girifalco mich ein bisschen glücklicher gemacht.
Leseexemplar von vorablesen.de
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