top of page

"leichte Verunsicherung" mit Johannes Hepp

#Laudatio | Kunsthalle Neuwerk | 11. Oktober 2018

"König im Wasserkasten" | Johannes Hepp

Herzlich Willkommen in der Kunsthalle Neuwerk!

Meine Name ist Mandy Krüger und ich darf Ihnen heute die Ausstellung „leichte Verunsicherung“ und den Künstler Johannes Hepp vorstellen.


Und mit Johannes Hepp würde ich auch gern anfangen.


Biografisches

Da man für Gewöhnlich nicht viel über den Alltag eines Künstlers erfährt, aber Johannes Hepp in seinem Katalog einen Einblick gewährt, möchte ich Ihnen diesen nicht vorenthalten:


Sein Tag beginnt meistens früh morgens. Er trinkt gern kalten Kaffee und isst sein Mittag am liebsten mit selbstgeschnitzten Stäbchen. Außerdem kocht, rennt und hört er gern Musik. Wenn meistens am Vormittag die kleinen Aquarelle in seinem Atelier entstehen, sucht er dabei einen Zustand zwischen Wahrnehmen und Träumerei. Die Aquarelle bilden einen Ausgleich zu seinen Holzarbeiten. Einige der Aquarelle hängen in dem kleinen Raum direkt beim Eingang. Von einem solch schnell entstandenen Kleinformat stammt auch der Titel für diese Ausstellung: „leichte Verunsicherung“. Dieses hat er ebenfalls mitgebracht und es rechts neben den Eingang gehängt.


Am Abend liegt dann meistens der Abschluss einer Arbeit oder etwas Neues in der Luft. Bevor Johannes Hepp das Atelier verlässt, schaut er sich die fertigen oder noch im Prozess befindlichen Arbeiten nochmal sehr genau an. Gerne bekommt er hier interessierten Besuch, mit dem er sich über das Wahrgenommene und den eigenen Standpunkt austauscht. Das hilft ihm manchmal einen Schritt zu tun, welcher alleine zu gehen ihm vielleicht schwerer möglich gewesen wäre. Dieser Abschluss des Tages im Zwiegespräch deutet bereits an, wie zentral der Betrachter für das Werk von Johannes Hepp ist.


Johannes Hepp wurde 1986 in Werneck geboren und ist seit 2017 in Freiburg als freischaffender Künstler tätig. Davor war er vier Jahre in Würzburg und hat außerdem in der Edith Maryon Kunstschule in Munzingen bei Freiburg Bildhauerei studiert. Mittlerweile ist er als Dozent an die Schule zurückgekehrt. Aus Zuneigung, wie er sagt. Zu unterrichten, individuelle Prozesse zu begleiten und zu beobachten macht ihm Freude. Und es fordert ihn zugleich. Denn als Dozent habe man die Aufgabe, künstlerische Prozesse und Tätigkeiten in Worte zu fassen und zu reflektieren. Und das komme – nach eigener Aussage –letztlich auch seiner eigenen Kunst zugute.


Seine Wurzeln väterlicherseits liegen übrigens hier am Bodensee, in Langenargen. Dort hatte schon der Großvater eine Werkstatt und hat sich in dieser auf vielfältige Weise handwerklich betätigt. Unter anderem auch mit Holz. Das mag später auch zu Johannes Hepps Entscheidung, Bildhauerei zu studieren, beigetragen haben.


Arbeitsweise

Johannes Hepp arbeitet mit Holz, einem ganz klassischen Bildhauerwerkstoff. Holz kann Spannung, Härte, Weichheit oder Schärfe ausdrücken. Es verhält sich ganz eigentümlich zu Licht und Raum, je nach Art reagiert es ganz unterschiedlich auf seine Umgebung und behält meist deutlich die Spuren seiner Bearbeitung durch den Künstler. Wegen dieser Vielseitigkeit, wählte Johannes Hepp diesen Werkstoff. Denn Holz bietet ihm viel Raum für seine Ideen und für seinen künstlerischen Weg.


Bei all seinen Arbeiten, sägt der Künstler zunächst die grobe Form mit der Kettensäge heraus und schnitzt dann von Hand weiter. Diesen Vorgang hat er in einer seiner neueren Arbeiten „Aus was er ist“ (Wandobjekt – Junger Mann) zum Teil offen gelegt. Die Holzstücke an der Wand neben der Figur sind die zuvor mit der Kettensäge abgetragenen Fragmente. Dabei kommen Linden-, Pappel-, Eichen-, aber auch Fichten- und Tannenholz zum Einsatz. Aus verschiedenen Gründen und oft, weil sie einfach gerade zur Verfügung stehen. Farbig gefasst werden die Arbeiten zum Schluss mit Aquarellfarben.


Johannes Hepp arbeitet ohne Modelle, vereint aber in seinen Werken verschiedenste Aspekte ihm bekannter Menschen oder verarbeitet Erlebtes. Zu der Arbeit „Hinter mir: Dunkles und Helles“ (Affenwand und Figur) hat ihn ein Traum inspiriert, den er bereits in verschiedenster Form künstlerisch aufgegriffen hat.

Ein anderes Beispiel ist „Ich denk an dich, obwohl ich dich nicht kenne“ (Büste mit Innenbüste): Das Objekt besitzt ein Gucklock. Blickt man hindurch, ist eine Fotografie der Großmutter als geschnitzte Objekt im inneren der Figur zu sehen. Manchmal integriert er mit Bedeutung aufgeladenen Gegenstände in seinen Ausstellungen: Neben dem „Mann im Goldpapier" hängen links und rechts zwei Fotografien, die aus den Werkstätten des Vaters und Großvaters stammen und dort bereits an der Wand hingen.

"Strauß" und "Sträußin" | Johannes Hepp

Ausstellung

Der Titel der Ausstellung stammt, wie schon erwähnt, von einem der zwischen Wahrnehmen und Träumen entstandenen Aquarelle und kann auf mehrere Arten verstanden werden.


Verunsicherung ist zum einen der Ausdruck für eine Irritation; es ist ein Zustand, bei welchem die Gewissheit über etwas verloren gegangen ist. Wenn etwas Unerwartetes passiert ist. Oft geht auch in der Kunst oder einer Begegnung eine Verunsicherung vorweg bzw. damit einher. Meistens macht das die Kunst wie auch das Zwischenmenschliche erst spannend. Denn was ist schließlich schon wirklich sicher?


Eine leichte Verunsicherung ist Garant für lebendiges Erleben und Denken, für Hinterfragen. Wenn man eine Situation, eine Begegnung, einen Menschen nicht sogleich durchschaut. Und wenn man als Betrachter eines Kunstwerkes nicht genau weiß, was einen erwartet.

Wie die Kistenfiguren, die hier zu sehen sind. Man sieht ihnen nicht auf den ersten Blick an, was sich in ihnen verbirgt. Ein schönes Beispiel ist das Werk „Athene und der Bärenmann“. Versenkt man die stolze Athene in der Kiste, kommt ein Mann in einem Bärenkostüm zum Vorschein. Dieser wirkt auf seiner Schaukel im Kontrast zu Athene fast komisch und grotesk.


„Athene und Bärenmann“ gehört zu Johannes Hepps ersten Kistenobjekten, die seit 2011 Bestandteil seines Schaffens sind. Mittlerweile gibt es zahlreiche Variationen von ihnen: Mit Deckel, nach unten oder oben geöffnet, oder zur Seite verschiebbar. Allen wohnt dabei etwas Unerwartetes inne. Und Gleichzeitig erzeugt die Mechanik oder die Bewegung eine weitere Bedeutungsebene.


Die leichte Verunsicherung bezieht sich nicht nur auf das Unerwartete für den Betrachter. Sie beschreibt hier zugleich die Gefühlslagen, in denen sich Johannes Hepps Figuren zu befinden scheinen. Viele der Figuren in den Arbeiten bewegen sich in unsicheren Situationen. Sie blicken dabei nicht wirklich fröhlich, sondern strahlen etwas Melancholisches aber zugleich auch Komisches aus. All das lässt sich trotz ihrer geringen Größe, in ihrer präzisen Mimik ablesen – dieser zarte, sensible Ausdruck. Die Figuren blicken gedankenverloren drein, wirken unbeholfen und schutzlos. Sie scheinen wie der Autor der Aquarelle in einem Zustand zwischen Wahrnehmen und Träumen zu schweben.


Werke

Johannes Hepp hat viele Wandobjekte und einige Skulpturen mitgebracht. Es sind auch ein paar Werke dabei, die er heute zum ersten Mal ausstellt. So zum Beispiel „Elefantenmann, Rüssler“, „Dazwischen: Du“ (Mann hinter dunkler Fläche) und das schon erwähnte „Aus was er ist“. Auch „Strauß“ und „Sträußin“ (Bild 2) sind zum ersten Mal zu sehen. Der männliche Part entstand dabei zuerst und ist eine witzige Parodie auf das Zentaur-Motiv. Als Johannes Hepp allerdings das weibliche Gegenstück fertigte, besaß diese Figur für sich allein genommen beinahe etwas obszönes. Interessanterweise relativierte sich das, als er sie als Paar nebeneinander stellte. Wie es in der Kunst eben so ist, entwickeln auch Hepps Werke hin und wieder ein gewisses Eigenleben.


Wie im Fall von „Strauß“ und „Sträußin“, hat Johannes Hepp in dieser Ausstellung wiederholt Männer und Frauen einander gegenübergestellt. Das Mann-Frau-Motiv findet man auch in den beiden Werke „Tom“ (Mann mit Feder) und „Rote Beete Sunset Boulevard“ (Dunkelhaarige Frau mit blondem Haar). Auch diese zeigt er heute zum ersten Mal zusammen. Durch das Attribut Feder beim Mann, das lange Haar der Frau und durch die Farben Blau und Rot, entsteht durch die Kombination der ursprünglich eigenständigen Werke ein Spiel mit den Geschlechterrollen.


Bei den jüngeren Arbeiten beginnt Johannes Hepp nun gefundene Gegenstände einzuarbeiten, was mich sogleich an Readymades erinnerte. Daran musste ich als erstes denken, als ich die Urinalkompositionen sah. Sie ließ mich an den Urvater der Readymades denken, an Marcel Duchamp. Eine dieser Urinalkompositionen hängt dort drüber an der Wand: „Astronaut". Allerdings interessiert sich Johannes Hepp im Gegensatz zu Duchamp mehr für das Pissoir als raumgebendes Objekt und als schöne Form – wie in diesem Beispiel als Astronautenhelm. Beim „König im Wasserkasten“ wird die rosa Getränkekiste, die von einem Strand in Italien stammt, zu einer Bühne für eine königliche Figur (Bild 1). Diese Objekte führen uns dabei allesamt die versteckte Poesie unseres Alltages vor Augen.


Geschnitztes Wandobjekt aus Fichtenholz (2016).
"Mann im schwarzem Rahmen" | Johannes Hepp

Betrachter und Werk

Der, durch Interaktion entstehende Dialog zwischen Betrachter und Figur, vollendet die Werke von Johannes Hepp. Die Arbeiten sind auf Interaktion mit dem Betrachter angelegt. Dieser kann an den Kisten ziehen, Teile der Skulpturen bewegen, sie zum Klingen bringen oder sie beim sich selbst Beobachten beobachten und dabei vermeintlich Vertrautes hinterfragen. Die einzige Erwartung, die der Künstler dabei an den Betrachter hat, ist eine möglichst große Offenheit.


Johannes Hepp betrachtet die Kunst als ein Feld, dass es wie kein anderes ermöglicht, als Mensch berührt und gleichzeitig verunsichert zu werden und dabei neue Aspekte in seinem Fühlen und Denken zu erleben und zu entwickeln. Johannes Hepp ist an der emotionalen Spannweite interessiert, welche den Verwandlungsmöglichkeiten und dem Unerwarteten seiner Arbeit innewohnen. Seine Figuren scheinen ein Eigenleben aus den elementarsten menschlichen Regungen zu führen. Wie Unsicherheit – ein Gefühl, das wir alle kennen; eine zutiefst vertraute Facette unseres alltäglichen Daseins.


Also lassen Sie sich nun ruhig ein bisschen verunsichern. Vielleicht entdecken Sie dabei auch noch das eine oder andere Unerwartete.

Dankeschön.


www.johanneshepp.com


 
bottom of page