Beitrag im NUN-Magazin für Konstanz und Kreuzlingen, Ausgabe 6, [Auszug]
Auf der Suche nach Lücken in der Konstanz-Kreuzlinger Geschichte, war es tatsächlich das schwierigstem erstmal einen Anfang zu finden – reicht doch allein die Geschichte der Stadt Konstanz zurück bis zu den Kelten. Dementsprechend viele Veröffentlichungen gibt es. Ein guter Tipp, den ich hiermit weitergebe: Man nehme sich die sechs dicken Bände der „Geschichte der Stadt Konstanz“ vor – bedenkt man, was in 2.000 Jahren alles passiert ist, bilden sie eine ganz kompakte Zusammenfassung. Zugegeben, hier wurde sich als Einsteig erstmal auf die neuere Stadtgeschichte der letzten beiden Bänden beschränkt und damit auf den Zeitraum vom Beginn des ersten Weltkrieges bis zur Gründung der Universität. Das Erscheinungsjahr 1996 der Bände offenbart dabei direkt die erste Lücke. So sah man zum Beispiel damals am Ende des sechsten Bandes den „Fremdenverkehr in einer Dauerkrise, von der er sich nicht mehr erholte“. In den letzten 24 Jahren hat sich die Stadt wohl noch etwas verändert, denn von dieser Dauerkrise ist am Wochenende auf der Marktstätte nicht wirklich etwas zu spüren.
Nicht nur die Beliebtheit der Stadt bei Touristen hat sich geändert, auch ihre Einstellung zu manchem ehemaligen Bürger – im Fall von Franz Knapp sogar zu einem Oberbürgermeister. Ist in der Stadtgeschichte von ihm noch als einem „offenkundige[n] Antinazi[…]“ zu lesen, der sich in seiner Amtszeit „um die Stadt zweifellos bedeutende Verdienste erworben hat“ und dafür 1957 die Ehrenbürgerwürde erhielt, spricht man heute – nach neuen Erkenntnissen – von der Umbenennung der Franz-Knapp-Passage an der Kanzleistraße.
Franz Knapp kam 1919 als Amtsrichter nach Konstanz, war später als Staatsanwalt tätig und wurde 1927 zum Bürgermeister gewählt. Dieses Amt musste er 1933 niederlegen, trat aber mit ausdrücklicher Billigung der NSDAP-Stadtratsfraktion als städtischer Rechtsrat rund einen Monat später wieder in den Dienst der Stadt Konstanz. Aus finanzieller Sicht hätte er damals nicht im NS-Staat mitarbeiten müssen, denn sein Verdienst entsprach in etwa dem errechneten damaligen Ruhegehalt, das er erhalten hätte. Er passte sich an, verhielt sich loyal und trat beispielsweise wie gefordert ohne zu zögern 1938 aus dem katholischen Akademikerverband aus. NSDAP-Parteimitglied wurde er allerdings nie. Doch er wirkte an der lokalen Reichspogromnacht im Hintergrund als Rechtsrat mit. Im Nachgang übte er zudem Druck auf die israelitische Gemeinde aus, als es um die Abräumkosten der abgebrannten Synagoge ging. 1946 schließlich wurde Franz Knapp im französisch besetzten Konstanz zum OB gewählt. Er verbesserte während seiner Amtszeit die Infrastruktur, förderte den Wohnungsbau, eröffnete die Spielbank, intensivierte den Fremdenverkehr, stand den Belangen der Kultur und Wissenschaft offen gegenüber und war bekannt für sein bescheidenes Auftreten. Er war in weiten Teilen der Bevölkerung beliebt und die Ehrenbürgerwürde wurde vom Gemeinderat einstimmig befürwortet. Trotz seiner Verdienste nach dem zweiten Weltkrieg kam eine Arbeitsgruppe von Historikern zur Überprüfung der Konstanzer Straßennamen 2019 zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Umbenennung vorliegen, da er Repräsentant des Nationalsozialismus und nachweislich an der Zerschlagung der jüdischen Gemeinde beteiligt war. Die Ehrenbürgerwürde wurde ihm wie auch dem Freiburger Erzbischof, vormals Konstanzer Stadt- bzw. Münsterpfarrer Dr. Conrad Gröber und Paul von Benckendorff von Hindenburg in diesem Zuge aberkannt – als ersten Schritt zur Umbenennung der nach diesen Personen benannten Straßen und Plätzen.
Wie bei Knapp, geht so eine Umbenennung mit einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Menschen und seiner Vergangenheit einher. So hatte eine Expertenkommission zuvor alle 190 nach Personen benannten Konstanzer Straßen überprüft. Bei sechs Straßen, nämlich der bereits erwähnten Franz-Knapp-Passage sowie außerdem der Conrad-Gröber-Straße, der Hindenburgstraße, der Otto-Raggenbass-Straße, der Werner-Sombart-Straße und der Felix-Wankel-Straße sind laut der Experten die Voraussetzungen für eine Umbenennung vorhanden.
Übrigens trug auch die Seestraße zwischen 1933 und 1945 vorübergehend einen anderen Namen und hieß Adolf-Hitler-Straße bzw. -Ufer.
BRANDLÜCKEN
Die Kreuzlinger Stadtgeschichte ist verglichen mit der Konstanzer etwas kürzer: Kreuzlingen als solches gibt es nämlich erst seit der Vereinigung der Dörfer Emmishofen, Kurzrickenbach und Egelshofen zwischen 1915 und 1928. Erst 1947 bekam Kreuzlingen mit der Geburt der 10.000sten Einwohnerin das Stadtrecht. Die junge Stadt Kreuzlingen und die Geschichte ihres Namens ist eng mit der Kirche St. Ulrich verbunden, die die Klosterkirche des ehemaligen Kloster Kreuzlingens war: Konrad I., Bischof in Konstanz von 935 bis 976, brachte von einer seiner drei Reisen nach Jerusalem eine Kreuzpartikel mit. Diese schenkte er dem von ihm gestifteten Hospital in der Vorstadt Stadelhofen, welche daraufhin den Namen Crucelin erhielt, was später zu „Crucelingen“ und „Creuzlingen“ wurde. Soweit zum Ursprung des Namens.[...]
LÜCKENFÜLLER
[...]Lichtspielhäuser sind jedoch nicht die einzigen gefüllten Lücken in den beiden Städten. Zu den interessantesten gehört sicher die heutige Nutzung der einstigen Hospiz- und Filialkirche St. Jodok. Die relativ kleine Kirche steht an der Ecke Kreuzlingerstraße 15/Falkengasse. Gebaut wurde sie dank einer bürgerlichen Initiative 1399, ein Jahr nach einem großen Stadtbrand an dieser Stelle. Die Kirche lag neben der Elendenherberge, die im 16. Jahrhundert auch als Blatternhaus – Blattern ist ein anderer Begriff für Pocken – und im Laufe der Jahrhunderte für unterschiedliche Zwecke genutzt wurde: Verpflegung Durchreisender oder Armer, als Isolierstation und Krankenhaus, als Besserungshaus und Gefängnis. 1793 wurde das Gebäude verkauft und zu einem dreistöckigen Wohnhaus umgebaut. 1813 wurde es aus dem Seelsorgeverband Kreuzlingen gelöst, säkularisiert und der neuen Augustinerpfarrei in Konstanz zur Hlgst. Dreifaltigkeit übertragen. Heute befindet sich im Erdgeschoss der ehemaligen Kirche ein Nachtclub, die Bar Babalou mit „gepflegter, erotischer Unterhaltung“. [...]
Lückenschluss
Ein weiteres auf verschiedene Art viel beachtetes Bauprojekt befindet sich ganz in der Nähe der Schmiederkliniken und wird eine ganz besondere Baulücke schließen. Das Büdingen-Areal direkt an der Seestraße war bis vor kurzem noch das größte, bebaubare Seegrundstück Deutschlands. Bis 1971 stand hier das Sanatorium Konstanzer Hof, eine private Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen. Gründer des Sanatoriums war der Arzt Theodor Büdingen, der das Anwesen 1902 gekauft hatte. Nach seiner Schließung wurde das Gebäude versteigert, abgerissen und an eine Immobilienfirma für 12 Millionen Mark verkauft. 1987 ging das Grundstück, für den selben Kaufpreis, an die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte. 2016 wurde das 40.000 Quadratmeter große Areal schließlich für 9,5 Millionen Euro an einen Schweizer Investor verkauft. Die Reaktion mancher Gemeinderäte unter der Schlagzeile „Erleichterung“ in der hiesigen Tageszeitung fiel recht positiv aus, denn man war froh, dass auf dem Gelände endlich etwas passierte. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde dabei auf einen möglichen Protest der Anwohner verwiesen. Denn Pläne zur Bebauung des Grundstückes gibt es seit den 1970er Jahren – und gefühlt mindestens genauso lange gibt es Bürger, die sich dagegen wehren. [...]
Um aber gleich mal eine andere hartnäckige Lücke im Halbwissen zu schließen: Die Legende, das Gelände des heutigen Strandbades Hörnle sei der Gemeinde von einer wohlhabenden Dame mit der Bedingung vererbt worden, dort eine öffentliche Badestelle zu betreiben, ist nur ein Gerücht. Tatsächlich gibt es das Bad seit 1920. Die Grundstücke, auf denen sich das Strandbad Horn befindet, wurden 1962 von der Spitalstiftung an die Stadt Konstanz verkauft. Eine Erhebung von Eintrittsgeldern wurde schon mal diskutiert, stieß jedoch auf Ablehnung im Gemeinderat. Deshalb ist der Eintritt in das Strandbad Horn bis zum heutigen Tag umsonst.
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