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Matthias Keller | deconstructions

#Laudatio | Kunsthalle Neuwerk | 6. Oktober 2017


Lieber Matthias, liebe Mitglieder der Kunsthalle Neuwerk, liebe Gäste,


ich freue mich, Sie hier zur Herbstausstellung der Kunsthalle Neuwerk zu begrüßen. Mein Name ist Mandy Krüger, ich bin Kunst- und Kulturwissenschaftlerin und darf Sie heute auf die Ausstellung einstimmen.


Wie schon im letzten Jahr widmet sich die Kunsthalle im Herbst wieder der architektonischen Kunst. Dieses Mal sehen Sie hier Malereien von Matthias Keller, alle Acryl auf Leinwand, unter dem Titel „deconstructions“. Insgesamt sind es 19 Werke, die alle zwischen den Jahren 2013 und 2017 entstanden sind. Der Künstler selbst stammt aus Leonberg, lebt und arbeitet heute in Markdorf.

Der Begriff „Deconstructions“ – oder Dekonstruktion – vereint in sich Konstruktion und Destruktion. Meines Erachtens spiegelt dieser Titel sehr gut Matthias Kellers künstlerisches Vorgehen wie auch das Wesen seiner Arbeiten wider.


Aus verschiedensten Bildern, teils eigene Fotos von Reisen, Besuchen oder Zeitschriften, konstruiert er Collagen. Er arrangiert, fügt zusammen und verändert die Größe der einzelnen Fragmente – bis es passt und keines der Bilder mehr in seinem Ursprung zu erkennen ist. Der einzige Hinweis findet sich manchmal in den Titeln der Werke. So beispielsweise in Naica – die Serie ist benannt nach den Minen von Naica in Mexiko. Sie sind die Heimat riesiger, bis zu 15 Meter großer Kristalle. Ihr Formen-Pendant findet sich heute in den Parallelwelten von Matthias Keller wieder.


Durch das stete Arrangieren und Verändern erschafft der Künstler architektonische Räume – surreale Orte mit einer Gegenständlichkeit fast wie Träume – und lässt sie in seinen Leinwänden wieder zusammenfallen. Matthias Keller verbindet in seinem Werk Konstruktion und Destruktion und lässt sich beides gegenseitig bedingen.


Der Künstler bereitet seine Werke minutiös vor. Die Arbeiten entstehen Stück für Stück. Durch dieses Vorgehen weiß er genau, was zu tun ist. Es gleicht einem meditativen Prozess und „…irgendwann stehen die Bilder“, so beschreibt der Künstler seine Herangehensweise. Die Angst vor der weißen Leinwand kennt er darum nicht mehr.


Diese präzise, akkurate Vorbereitung steht im vollkommenen Gegensatz zu seinen künstlerischen Anfängen. Matthias Keller kommt ursprünglich aus der Abstraktion und dem Expressionismus – vom „Malen aus dem Bauch“, wie er es selbst nennt. Damals war sein Vorgehen geprägt vom ständigen Übermalen und vielen Zufällen. Irgendwann kam er an einen Punkt, an dem er keine Zufälle mehr wollte und widmete sich eine Zeit lang nur noch der Zeichnung.

Heute besitzt seine Malerei nicht mehr den pastösen Farbauftrag des Expressionismus, vielmehr sind die Farbschichten zart und lassen die Struktur der Leinwand durchscheinen. Die ausdrucksstarken Farben sind geblieben. Auch das Element der Zeichnung besteht weiterhin: davon zeugen die Werkspuren in den Arbeiten – Umrisslinien und Vorzeichnungen sind teilweise noch zu erkennen.


Als wir uns im Vorfeld der Ausstellung unterhielten, sagte Matthias, er warte eigentlich noch auf die eine Frage, die immer komme – „Warum das quadratische Format?“ Für ihn ist das Quadrat das demokratischste Format. Es gibt keinerlei Richtung vor – im Gegensatz zu Quer- oder Hochformaten. Die Richtung möchte er mittels der Malerei klären. Die Dynamik innerhalb seiner Bilder erreicht er durch die Intensität der Farben und die Linien der Formen.

Matthias Kellers Weg ist ein Weg der steten Veränderung: von der expressionistischen Abstraktion über die Zeichnung zu gegenständlichen Collagen. Dies zeugt von seinem Mut zum Experimentieren. Auch in einigen aktuellen Arbeiten lassen sich die Schaffensprozesse von einem Werk zum anderen erkennen und nachverfolgen. Denn der Künstler zitiert sich oft selbst in seinen Arbeiten. Besonders gut zu sehen ist das in den Spiegelbildern Magnification I-III: Das Spätere ist präziser, expliziter und profitiert von den Erfahrungen der Vorausgegangenen. Es gleicht einem Lernprozess, einer Entwicklung festgehalten auf den Leinwänden.


Die Spiegelbilder zeigen Reflexionen ohne dass der Raum, in dem sie sich befinden, sichtbar wird. Diese Gratwanderung zwischen dem Abstrakten und Gegenständlichen, spielt eine wesentliche Rolle in allen Werken, denn für Matthias Keller sind diese beiden Begriffe kein Widerspruch. Tatsächlich findet er den herrschenden Streit zwischen den beiden Begriffen absurd. Das macht er in dem Wechselspiel zwischen Wahrnehmung und Täuschung, Architektur und Transparenz deutlich. Dies zeigt sich auch im Kontrast zwischen der Ästhetik des Bildes und dessen dargestellten Inhalt: Die kräftigen, ausdrucksstarken Farben und zugleich der Zusammenbruch – die Destruktion – in den Werken.


In der Tradition der Dekonstruktivisten bringt er Gegensätze zusammen, lässt die Bilder ihre eigene Bedeutung hinterfragen und durch diese vermeintliche Paradoxie ihren Sinn erschaffen. Matthias Keller zeigt, dass das Abstrakte und das Gegenständliche zu vereinen möglich ist.


Die Dekonstruktion ist vielleicht auch Sinnbild für eine auf den ersten Blick sehr drastische Auffassung des Künstlers: Denn er begreift die Kunst als ein einziges Scheitern. Das ist jedoch nicht zwingend so negativ gemeint, wie es zunächst klingen mag. Dahinter steckt eine nüchterne, rationale Einschätzung der Dinge: Entweder man könne als Künstler von der Kunst leben, hat aber durch die Zwänge des Marktes jegliche Freiheit verloren – oder man behält sich diese Freiheit, müsse aber oftmals damit zufrieden sein, sich und seinem Werk selbst zu genügen.


Matthias Keller zählt sich zu Letzterem. Die Gelassenheit dieser Erkenntnis, ist in seinem künstlerischen Vorgehen gegenwärtig – und dadurch auch in seinen Werken. Die „Freiheit des Scheiterns“ ist somit ein weiterer vermeintlicher Widerspruch, den Matthias Keller in seinen Werken verbindet.


www.matthiaskeller.wixsite.com/matthias-keller/vita


 
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